Geschichte des Ortes Großenbach – ein weiter Bogen
Großenbach, ein Stadtteil von Hünfeld mit ca. 850 Einwohnern, liegt in nordöstlicher Richtung drei Kilometer von Hünfeld entfernt auf einer Höhe von 270 bis 310 m über NN. Ein Bach namens Hasel, der bei Haselstein entspringt, durchquert den Ort und mündet in Hünfeld in die Haune. Mit seinen Wassern wurden drei Mühlen angetrieben. Von der B84 kommend, hat man den schönsten Blick auf den Ort.

Die heutige B84, früher die „schwarze Straße“, „hohe Straße“, „alte Straße“ und „Leipziger Straße“ genannt, ist nur einen Kilometer vom Ort entfernt und war die wichtigste durchgehende Fernverbindung von Frankfurt Richtung Leipzig. Im 18. Jhd. wurde die Straße im Fuldaer Herrschaftsgebiet mit schwarzen behauenen Basaltsteinen gepflastert, daher der Name „schwarze Straße“. Noch früher, im Mittelalter zog die sog. Antsanvia bei Kirchhasel/Stendorf an Großenbach vorbei. Heute ist die Verbindung werbewirksam unter „Via Regia“ bekannt.
Von Großenbach aus hat man teilweise einen schönen Blick auf das „Hessische Kegelspiel“, eine Ansammlung von Basaltkuppen in nördlicher Richtung. Die Gemarkung umfasst 851 ha und wird im Osten von Waldungen begrenzt.
Geröllartefakte aus der Altsteinzeit in der Gemarkung Großenbach
Großenbach machte 1978 von sich reden durch Funde von bearbeiteten kieselhaltigen Geröllsteinen aus der Altsteinzeit auf einer hochgelegenen terrassenartigen Fläche nordöstlich des Orte, entdeckt durch Herrn Heinrich Leister aus Rothenkirchen. Sie wurden und werden in die Zeit von 900 000 Jahren vor Chr. datiert. Die Geröllsteine wurden mit wenigen Schlägen zu Werkzeugen mit einer scharfen Schneide umfunktioniert. Es waren die Vorläufer der Faustkeile und werden in der Fachsprache als „Chopper“ bezeichnet.
Der leider schon verstorbene Christian Aschenbrenner demonstrierte gelegentlich das Abschlagen der Gerölle und das Schneiden von Fleisch, was immer für Erstaunen sorgte. Die Hersteller der Geröllartefakte waren der „Homo erectus“, der aufrechte Mensch. Professor Fiedler, der große Kenner der Altsteinzeit, antwortete in einem Vortrag einmal auf die Frage nach der Intelligenz des „Homo erectus“, er könne sich vorstellen, dass er den Führerschein bestehen würde. Im Hessischen Landesmuseum in Kassel ist diesen Geröllgeräten aus Großenbach eine komplette Vitrine gewidmet, ebenso finden sich die Funde im Hünfelder Konrad Zuse Museeum, sowie im Fuldaer Vonderaumuseum.
Hügelgrab des „reichen Mädchens vom Bomberg, Gemarkung Molzbach zu Großenbach
1931 wird in der Gemarkung Molzbach am Bomberg, an der Gemarkungsgrenze zu Großenbach gelegen, ein Hügelgrab aus der Grabhügelbronzezeit mit 24 Bestattungen ausgegraben. Entdeckt wurde das Grab, als ein Bauer aus Molzbach Kalkkies abbauen wollte. Von großer Bedeutung war das Grab Nr. 8, eine Nachbestattung, das als „Reiches Mädchens von Molzbach“ bekannt wurde.
Man geht davon aus, dass das Mädchen, ausgestattet mit reichem Bronzeschmuck, aus einer adligen Familie stammte, die hier wohl um 1200 v. Chr. gelebt hat. Das Original mit allem Schmuck befindet sich im Hessischen Landesmuseum in Kassel, eine Replik ist im Hünfelder Museum zu bestaunen.
Ersterwähnung von Großenbach
Man kann davon ausgehen, dass Großenbach eher entstanden ist als die Ersterwähnung um 1025. Die Entstehung wird der Ort der Schenkung des „Campus qui dicitur unofelt“ (des Feldes, das Unofelt genannt wird) durch Karl den Großen an das Kloster Fulda im Jahre 781 zu verdanken haben. Zu dieser Schenkung gehörte die Gemarkung Großenbach als östlichster Bereich. Im Jahre 825 erfolgte eine Untersuchung der Grenzen und des Besitzes des Klosters Hünfeld. Vermutlich wurde zu dieser Zeit schon mit dem Bau des Mühlgrabens von Großenbach aus zum Kloster Hünfeld begonnen, denn ohne Wasser war ein Kloster als Eigenversorger nicht überlebensfähig. Ich denke, bei diesem Prozess ist Großenbach entstanden.
Zum ersten Mal schriftlich in Erscheinung tritt Großenbach allerdings erst in einem „Urbar“ des Klosters Fulda, das etwa 1025 angefertigt wurde. Das Fuldaer „Urbar“ beschreibt die Liegenschaften des Klosters an Grundbesitz samt den abhängigen Familien sowie die darauf ruhenden Leistungen und Dienste. Es liegt uns aber nicht mehr im Original vor, sondern als Teil einer zweibändigen handschriftlichen Abschrift, angefertigt ca. 1160 im Auftrag des Abtes Marquard. Dieses Gesamtwerk ist der sogenannte „Codex Eberhardi“ und in lateinischer Sprache abgefasst. Der Großenbach betreffende Absatz ist folgendermaßen überschrieben: Das sind die Liden und Unfreien in den einzelnen Orten. Darunter steht unter anderem: Gruzebach III. Also waren in Gruzebach, so die damalige Schreibweise von Großenbach, 3 Liden vorhanden. Liden waren halbfreie Bauern, die Abgaben zu leisten hatten vom Grundbesitz des Klosters, den sie bewirtschafteten. Wer mehr über die Ersterwähnung erfahren möchte, dem sei das Buch „Großenbach 975 Jahre-Dörfliches Leben in neun Jahrhunderten, Teil II“ anheimgestellt.
1165 wird „Grozenbach“, so die jetzige Schreibweise, in einem Rechenschaftsbericht des Abtes Marquard, den „Gesta Marcvadi abbatis“ aufgezeigt. Es geht um eine zweite Mahlzeit für die Mönche des Klosters. Abgabe von „Grozenbach“ betrug ein Talent.
Ritter von Großenbach
1233 taucht der Ortsname wieder auf, und zwar wird ein „Trageboto miles de Grozenbach“ als Zeuge in einem Bericht über die wunderbare Heilung eines gelähmten Mädchens, Berhtradis de Buttigler (Buttlar) angeführt. Miles war im Mittelalter die niedrigste Stufe eines Ritters. Wir werden von einem Rittergeschlecht aus Großenbach nichts mehr hören.
Wüstungsperiode
Große Umwälzungen gab es durch die sogenannte Wüstungsperiode von 1350 bis 1470, in der viele Weiler im Hünfelder Land, so auch in der heutigen Gemarkung von Großenbach „wüst“ wurden. Das heißt , die Weiler wurden aufgegeben, nicht mehr bewirtschaftet, die Bewohner starben oder ließen sich in größeren Orten nieder, in denen sie besseren Schutz genossen. In der Großenbacher Gemarkung wurden folgende Siedlungen aufgegeben: Limpurg, Lendershasel, Dornhasel und Weyers. In späterer Zeit wurde das dazugehörige Land von Großenbach aus mit bewirtschaftet, wurde aber bei den Abgaben als separate Höfe bewertet wie z. Beispiel ein „Dornhasler Gut“. Was aber waren nun die Ursachen für diese Periode.
Zuerst bleibt festzuhalten, dass ab 1350 eine Kaltperiode eine Warmperiode ablöste. Wo vorher noch Wein angebaut wurde, war dies nun nicht mehr möglich. Das Wetter wurde schlechter, was Missernten und Hunger zur Folge hatte. Die Pest hatte nun leichtes Spiel, Fuß zu fassen.
Dass wiederum hatte zur Folge, dass dem niederen Adel die Ernährungsgrundlage entzogen wurde. Sie wurden teilweise zu Strauchdieben und drangsalierten die Leute in den Weilern, die wiederum Schutz in befestigten Orten suchte, siehe Wehrmauer, Wehrturm, hinterm Zaun, am Wallrain und in der Bitz in Großenbach. Das Wort Bitz kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Einzäunung.
Viehbedeliste 1510
Im Jahre 1510 wird die Viehbedeliste erstellt. Jetzt wird Großenbach in seiner Größe eher fassbar. Unter Bede wurden steuerliche Abgaben verstanden, die vom Landesherrn zusätzlich zu den grundherrlichen Lehensabgaben verlangt wurden. Hier in unserem Fall wurde der Viehbestand besteuert. Es werden 32 fuldische Viehhalter genannt ohne die Bauern, die nicht nach Fulda lehnspflichtig waren. Diese verweigerten die Aussage. Hans Meister hatte 5 Pferde, 10 Rinder, 3 Geis und 1 Schwein im Besitz.
Lagerbuch 1560
1560 gewinnen wir durch das Lagerbuch weitere Einblicke in die Besitzverhältnisse des Dorfes, das zum Amt Mackenzell gehört. Das Lagerbuch diente dazu, eine genauere Übersicht über die Einkünfte des Hochstiftes Fulda zu gewinnen. Es wird der Name desjenigen genannt, der auf dem Hof sitzt. Außerdem wird angegeben, an wen der Bauer lehns- und zinspflichtig ist, ob es ein Erb- oder Lehnshof ist, welche Abgaben in Geld und Naturalien er schuldig ist, ob er fahrenden oder gehenden Dienst (Frondienst) verrichten muss.
Angegeben wird die Lage der einzelnen Äcker und Wiesen, deren Flurnamen mit Nachbarn (Anstößern), auch die Aussaatmenge in Maß oder Viertel. Das Lagerbuch beginnt folgendermaßen: Grossenbach-das Dorf im Stift Fulda und dem Amt Mackenzell gelegen…. Sagt ferner die gemein einhelliglich, irer seien jetziger Zeit 43 in der gemein und seien noch zwei Häuser daselbsten, so nicht aufgepaut und zeigen an, sie haben ein gemein Hutweidt, die Strodt genannt, stößt an den Limperg und widers u(nseren) g(nädigen) H(errn) Holz und Feld. Item ein Gestreupich genannt die wenig Strudt, stößt hinten wider die limpergischen Güter und vorn an u. g. H. feldt.
Großenbacher Wiedertäufergemeinde 1529/1530
Als Martin Luther 1517 seine Thesen in Wittenberg anschlug, läutete er damit das Zeitalter der Reformen und Glaubenskämpfe ein, die erst nach dem 30 jährigen Krieg mit dem westfälischen Frieden 1648 endeten. Der religiöse Umbruch machte sich im Fuldaer Land durch die Bauernkriege und in Großenbach besonders durch die Wiedertäuferbewegung bemerkbar. Luther machte die Bibel zur alleinigen Richtschnur für christliches Denken und Handeln, und viele Menschen studierten die Bibel und legten sie nach ihrem Denken aus. Propheten und Prediger zogen durchs Land und versuchten Menschen von ihrer Auslegung zu überzeugen. Die Bewegung der Wiedertäufer entstand in Zürich, verlangte statt der Kindertaufe die Erwachsenentaufe, konnte sich im deutschen Südwesten, Hessen, Franken und Thüringen ausbreiten bis zur Ausrufung des „Gottesreiches“ in Münster in Westfalen 1535.
Diese Bewegung wurde natürlich vom Fürstabt in Fulda mit Argwohn, Furcht, Mißtrauen und Sorge verfolgt. Im Herbst 1529 bildete sich in Großenbach eine Gemeinde der Wiedertäufer. Der Ort erlangte dadurch eine besondere Bedeutung, denn in anderen Orten des Fuldaer Landes war die Bewegung bei weitem nicht so erfolgreich. Die einzigen Belege für die nun folgenden Ereignisse sind die Verhörprotokolle der Gemeindemitglieder, die Anfang Dezember 1529 verhaftet wurden, ausgewertet von Heinrich Beulshausen Im Jahre 1981.
Der Wiedertäuferprophet Melchior Rinck, der eine Gemeinde in dem Dorfe Sorga bei Hersfeld gegründet hatte, konnte den Bauern Hans Meister aus Großenbach für die Lehre gewinnen. Nach Flucht und Ausweisung zogen die Anhänger mit ihrem Prediger Claus Schreiber nach Großenbach und fanden Unterschlupf im Hause des Hans Meister. Die Großenbacher Gemeinde wuchs auf wahrscheinlich 15 männliche Bewohner an, die als Wiedertäufer zu bezeichnen waren. Die Prediger warben mit dem baldigen schrecklichen Ende der Welt beim Jahreswechsel 1529/1530 und machten den Leuten furchtbare Angst. Nur in der Wiedertäufergemeinde konnten sie davon verschont werden. Beim Verhör am 07.12. 1529 stehen alle zur Wiedertaufe und sind sogar bereit dafür zu sterben. Beim zweiten Verhör am 15.12. 1529 werden jetzt bestimmte Fragen gestellt, die Auskunft über das Leben und Denken der Wiedertäufer geben sollen. Heinz Meister erzählt, dass die Gemeinde Geld gesammelt hat, 7 Gulden, und sie es den Armen gegeben haben. Aus den Fragestellungen geht auch hervor, dass die Obrigkeit etwas über die politische Einstellung der Täufergemeinde erfahren will-die Bauernkriege sind noch nicht lange vorbei. Die Verhafteten werden schließlich nach Fulda verfrachtet und im Beisein des Abtes am 04.01.1530 aufgefordert zu widerrufen. Jetzt bekennen sich alle zum katholischen Glauben und schwören Urfehde. Sie müssen alle eine Bürgschaftssumme bezahlen zwischen 200 und 50 Gulden und jeder muss vier Bürgen stellen. Besiegelt wird dies vom Bürgermeister und Rat der Stadt Fulda. Im Sommer 1530 werden wiederum Wiedertäufer festgenommen. Über ihr Schicksal ist nichts bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass die fünf Rückfälligen verurteilt und hingerichtet worden sind. Viele flüchteten in das Herrschaftsgebiet vom Landgrafen von Hessen, der für seine Milde gegenüber Mitgliedern der Täufergemeinde bekannt war. Am 05.03.1531 verlangt Johann von Fulda als Koadjator von den Bürgen des Heintz Meister die Bürgschaftssumme von 200 Gulden, wofür sich die Bürgen an Meisters Gut schadlos halten können.
Türkensteuerregister von 1605
Spätestens seit dem Fall Konstantinopels im Jahre 1453 spielte die Angst vor einer türkischen Expansion eine wichtige Rolle. Auf den Reichstagen ließ sich der Kaiser, der kraft Amtes für den Schutz des Reiches bei auswärtiger Bedrohung verantwortlich war, sowohl Truppen als auch Geldmittel bewilligen. Im fuldischen Bereich handelte es sich um eine Vermögenssteuer, die in erster Linie den Grund- und Hausbesitz erfasste. Das war für die damaligen Bauern eine massive Beeinträchtigung der Einkünfte. Im Amt Mackenzell musste von 100 Gulden Vermögen 9 Batzen Steuer bezahlt werden. Die Angaben werden gemacht in fl (Gulden), bz (Batzen), kr (Kreuzer). 1 Gulden = 15 Batzen = 60 Kreuzer. Jörg Haberstroh musste von 800 Gulden Vermögen 4 fl und 12 Batzen Steuer bezahlen. Was konnte er sich dafür kaufen? Er bekam 2 Schweine, 7 Zentner Roggen oder 40 Brote. 1 Kuh kostete 6 Gulden, ein Pferd 20 Gulden. Es fällt auf, dass Großenbach im Amt Mackenzell die größte Summe an Steuern aufbringt. Großenbach mit 77 Gulden, 3 ½ Batzen, Mackenzell 53 Gulden, 3½ Batzen und Roßbach 36 Gulden, ½ Batzen, 1½ Kreuzer. In Großenbach sind 10 Bauern beheimatet, die mindestens über ein Vermögen von 500 Gulden verfügen, in Roßbach keiner. Es bestehen 66 Haushalte, schon erstaunlich gegenüber den 45 Haushalten im Jahre 1560.
Hexenprozesse gegen Großenbacher Frauen
Ein ganz trauriges und schmerzvolles Kapitel in der Großenbacher Geschichte ist der Prozess gegen 19 Frauen und deren Hinrichtung. Was war geschehen? Ab 1560 kam es zu einer als „kleine Eiszeit“ bezeichneten Klimaverschlechterung. Das wiederum bedingte Missernten durch lange Regenperioden und Kälte, außerdem trat eine Getreideteuerung ein. Mangelernährung und Seuchenanfälligkeit waren an der Tagesordnung, dem Bevölkerungszuwachs gegenüber reichten die Ressourcen nicht vorne und hinten, das alles zusammen führte zu einem großen sozialen Druck. Das war der Ausgangspunkt für die Hexenverfolgung. Weil die Menschen keine Erklärungen für die Agrarkrisen hatten, wurden Sündenböcke gesucht und auch gefunden.
Deren „Schadenzauber“ war für alles Negative verantwortlich und es wurde nach Bestrafung gerufen, um weiteres Unheil zu vermeiden. Ein Klima der Angst entstand.
Jetzt kommen der Fürstabt Balthasar von Dernbach und der Hexenrichter Balthasar Nuß ins Spiel. Dieser Bathasar Nuß war Zentgraf der Zent Fulda und betrieb von 1603 bis 1606 die Hexenverfolgungen im Gebiet des ganzen Stifts Fulda mit größter Energie und Grausamkeit. 1606 nach dem Tode des Fürstabtes, dieser glaubte an das Wirken der teuflischen Hexen, wurde er festgesetzt, zum Tode verurteilt und 1618 hingerichtet. Ihm ging es um persönliche Bereicherung, so konnten ihm 2358 Gulden von 4875 Gulden als Hinterziehung nachgewiesen werden. Nur diese Unterschlagungen wurden ihm zum Verhängnis, nicht die willkürlichen Hexenprozesse. Diese wurden vor dem Fuldaer Stadtgericht geführt. Nuß setzte sich über Verfahrensvorschriften hinweg und folterte ohne Gnade. Die gängigsten Foltermethoden bestanden im Auspeitschen (1. Grad), Anlegen von Daumenschrauben (2. Grad), „spanische Stiefel“ ( Beinschrauben, 3. Grad), Streckbank (4. Grad), im Hochziehen des Körpers und Anbrennen der Füße. Die Peiniger waren ausgesprochen ideenreich im Foltern und in der Ausübung von Psychoterror. Kein Wunder, dass die Menschen gestanden, was gehört werden wollte, der Pakt mit dem Teufel. Etliche Menschen starben auch unter der Folter. Überlebende einer Foltertortur waren für ihr weiteres Leben als Krüppel gekennzeichnet. In der Regel vergingen sechs bis zehn Tage von der Verhaftung bis zur Hinrichtung durch Verbrennen. Danach trieb Nuß bei den Angehörigen die überhöhten Kosten zur Durchführung der Prozesse ein. In Rechnung gestellt wurden Ausgaben für die Vorladung der Schöffen und Zeugen, die Verpflegung der Schöffen, des Folterknechtes, des Richters und seinen Knechten, der Angeklagten selbst, den Scharfrichter und nicht zuletzt Stroh, Reisig und Holz für die Hinrichtung. Auch zu den Unkosten gehörten die Transporte von Großenbach nach Mackenzell und weiter nach Fulda. Insgesamt sind von 1600 bis 1606 mehr als 270 „Hexen“ hingerichtet worden, davon gehen 250 auf das Konto von Nuß. Im Amt Mackenzell schreibt Nuß von 30 hingerichteten Hexen, davon allein 19 aus Großenbach, das ist aus jeder dritten Familie ein Opfer. Die Namen der Opfer und deren Ehemänner gehen aus den überlieferten Prozessakten hervor. In den Akten fehlen allerdings die zu Last gelegten Verfehlungen und die vorgebrachten „Beweise“. Es ist auch nicht bekannt, warum gerade die genannten „Hexen“ in Großenbach in so großer Zahl zu Opfern wurden und wie es dazu kam. Ich denke, das vermögende Dorf (wie aus der Türkensteuerliste bekannt) reizte die Geldgier des Zentgrafen, um hier so viel wie möglich an Geld heraus zu schinden. Vielleicht spielte auch noch die Wiedertäuferbewegung eine Rolle. Der Ruf des Ortes war eh schon beschädigt, hier hatte man leichtes Spiel mit teuflischen Beschuldigungen.
Die Namen der Opfer waren: Katharina Sauer, Anna Knot, Nes (Agnes) Mohr, Anna Kern, Katharina Knauff, Margarethe Rüdling, Else Krämer, Anna Kircher, Katharina-Frau des Mühlhans, Margarethe- Frau des Schlehen Hans, Amplonia Lochhas, sowie die Frauen von Hans Röder, Kaspar Grabenau, Georg Haberstroh, Balthasar Hodes, Hans Bott, Heinz Sachs, Friedrich Schmidt und Valentin Steube.
Kaspar Grabenau mußte für Festnahme, Verhör und Hinrichtung seiner Frau 38 Gulden und 14 Böhmisch bezahlen, davon erhielt der Zentgraf Nuß 32 Gulden. Wir wissen ja aus der Türkensteuerliste 1605, wie viel 38 Gulden wert waren.
Georg Haberstroh musste für seine Frau, die drei Wochen bis zu ihrer Hinrichtung inhaftiert war, 50 Gulden bezahlen. Das waren zwei Beispiele, und um die Kosten aller aufzuführen, fehlt hier der Platz.
Dr. Berthold Jäger hat in dem Buch „das recht und überaus grosse sengen undt brennen“ welches ich für diesen Artikel benutzt habe, versucht, die Opfer den Höfen in Großenbach zuzuordnen. Ich halte das für ein schwieriges Unternehmen trotz der Türkensteuerliste von 1605, des Lagerbuches von 1560 und Rechnungen des Amtes Mackenzell. Die Kontinuität der Höfe ist im 30jährigen Krieg zerstört worden, die Grundstücke der Wüstungen wie Dornhasel, Weiers oder Limpurg wurden neu zugeordnet und ganze Höfe zerfielen. Es ist problematisch, die heutigen Höfe über die Zeit bis vor den 30jährigen Krieg zu verfolgen. Aber die Aufgabe reizt mich schon. So nimmt Großenbach in Sachen „Hexenprozesse“ eine exponierte Stellung ein. Dieses Unglück war nur möglich durch große mittelalterliche Angst vor Strafe, die erfolgreich noch durch die Geistlichkeit geschürt wurde, vielen hochgestellten Persönlichkeiten, die wegschauten und das Ganze tolerierten und durch die kriminelle Energie einzelner, die aus Geldgier handelten.
Der 30jährige Krieg
Seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 war es den weltlichen Reichsfürsten zugestanden worden, ihre Religion und damit auch die ihrer Untertanen selbst zu bestimmen. Für die geistlichen Fürsten galt das nicht. Um ihren Glauben besser verteidigen zu können, schlossen sich die Fürsten in Gruppen zusammen. Die Katholischen, denen auch der Kaiser nahe stand, vereinigten sich in der „Liga“ unter der Vorherrschaft des Bayernherzogs, die Evangelischen fanden sich in der „Union zusammen“. Im Jahre 1618 begannen die unausweichlichen kriegerischen Auseinandersetzungen. Das Kriegsglück wogte hin und her, keiner behielt die Oberhand.
Teilweise gingen sich die Armeen aus dem Weg, hatten große Verluste durch Hunger und Kälte, sie dezimierten sich von selbst. Erst 1648 kam es zum von allen herbei gesehnten „Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück“. Der Krieg und Epidemien hatte 40 % der Bevölkerung in deutschen Landen dahin gerafft.
Der 30jährige Krieg richtete im Ort viel Elend an. Bis 1630 ging der Krieg noch vorüber, aber dann traf es das Dorf voll. 1631 besetzten die Schwedenunser Gebiet. 1632 wurde Hünfeld von den Hessen besetzt. In dem nun folgenden Jahrzehnt zog die unterschiedlichste Soldateska durch das Land, eine Spur der Verwüstung hinter sich lassend. Es zogen die Kaiserlichen, Hessen, Franzosen, Kroaten und Schweden hier durch. Alle durchziehenden Truppen lebten von dem, was sie unterwegs erbeuten konnten, egal ob von Freund oder Feind. Der Krieg muss den Krieg ernähren. Dieser Grundsatz brachte unendliches Leid. Ein Unglück kommt selten alleine, denn es kam noch die Pest hinzu. In Kirchhasel und in Haselstein, alles wüst, nichts wurde mehr bewirtschaftet, die noch überlebenden Bauern konnten keine Abgaben mehr zahlen, es war nichts mehr da. Nüst, Gotthards und Rimmels war menschenleer. In Großenbach haben scheinbar 12 Bauern das Inferno überstanden. Aber man darf nicht denken, dass alles unbeschadet war. Es ist davon auszugehen, dass alle Gebäude beschädigt oder verbrannt waren. Sie geben 1640 in geringem Maß Abgaben. Der Krieg zeigt noch lange Nachwirkungen. 1675 ist noch nicht der Stand von 1630 erreicht. 1675 gab es 37 Herdstellen, 1560 schon 46 Herdstellen.
Acht Namen blieben in Großenbach über den Krieg hin erhalten. Woher die Personen mit neuem Namen kamen, kann heute nicht mehr ermittelt werden.
Der siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763
Der Krieg zwischen Preußen und Österreich berührte erst einmal das Fuldaer Land nicht, sondern spielte sich in dem umstrittenen Schlesien, Sachsen und Böhmen ab. Mit dem Eintritt Frankreichs auf Habsburg Seite wurden auch die an Fulda angrenzenden Gebiete der Bundesgenossen zu Kriegsschauplätzen und damit auch unsere Gegend. Das Fürstentum stand an der Seite Österreichs.
Anton Kircher (Enders) hält in einem Büchlein die Ereignisse fest. Er schreibt: Im Jahre 1760, den 25. April auf Markus, ist ein feindlicher Einfall in Großenbach geschehen von den Hessen. Sie haben durch Plünderung und Pressung 669 Gulden mitgenommen. Den 20. Mai ist eine Attac in Großenbach geschehen von den Franzosen, Hannoveranern und Hessen. Die Franzosen haben den Feind mit Kanonen vertrieben. Ein schwarzer Husar ist gefangen genommen, ein anderer tot geblieben und am Hauck begraben. Es ging mit Sicherheit um die Beherrschung der heutigen B84. Er schreibt weiter: Am 22. Februar sind die Großbritanische und Alliierte Armee im Fuldaer Land eingefallen, auch in Großenbach……….. Im Jahre1763, am 5. April, ist der Friede auf der Kanzel ausgerufen worden und im ganzen Land ist ein Dankfest gehalten worden. Das Te Deum ist in allen Kirchen gesungen worden. Dies ist geschehen am letzten Ostertag.
Die Nähe zur heutigen B84 war mit Sicherheit in diesem Krieg kein Vorteil. Sie war eine große Verbindungsstraße in den Osten, vergleichbar vielleicht mit den heutigen Autobahnen. Alle Parteien zogen durch und bedienten sich bei den Bauern, auch mit Gewalt. Die Bauern wussten zwar um die einzelnen Parteien und ihre Zugehörigkeit. Das wird ihnen völlig egal gewesen sein, ob Feind oder Feind.
Jeder verlangte Unmögliches. Die Dörfer waren nach dem Krieg völlig ausgelaugt und ausgesaugt. Elend und Hunger war wieder angesagt, aber sie haben es gemeistert.
Franzosendurchzug 1813
Kaum 50 Jahre nach dem 7jährigen Krieg zogen wieder Armeen durch das Fuldaer Land. Das waren aber andere Dimensionen. Erst einmal eine kurze Erklärung wie es dazu kam. Nachdem die revolutionären Franzosen die linksrheinischen Gebiete des „Heiligen Römischen Reiches“ erobert, die Fürsten dort vertrieben und Republiken eingerichtet hatten, kam es zu radikalen territorialen Veränderungen und Auflösungen in Deutschland. Im „Reichsdeputationshauptschluss“ von 1803 wurde beschlossen, alle geistlichen Fürstentümer aufzuheben und damit die vertriebenen Fürsten auf der linken Rheinseite zu entschädigen. Das Fürstentum Fulda kam an Wilhelm V. von Oranien, für die Bauern änderte sich nichts.
Allerdings kam Fulda 1806 unter französische Herrschaft, was aus heutiger Sicht ein Segen war. Das Land wurde reformiert, die Abschaffung der Lehnsabhängigkeit wurde eingeleitet, das Dezimalsystem wurde eingeführt und vieles mehr. Nun zum Durchzug der Franzosen.
Der Aufmarsch der Grand´ Armee für den Krieg gegen Rußland 1812 auf der „alten Straße“ berührte Großenbach, ebenso der Rückmarsch der Restarmee nach der Katastrophe von Moskau. Die Militärs nutzten die gut ausgebaute „Leipziger Straße“ wie schon die in Kriegen zuvor, als Einmarschstraße.
100 000 Soldaten sollen es gewesen sein, welch ein Anblick von der Gastwirtschaft „Zum goldenen Stern“. Ich wüsste heute gerne, was die damaligen Bewohner bei diesem Anblick dachten, oder ob Teile der Bevölkerung in diesem Aufmarsch gerne dabei gewesen wären.
Vielleicht waren alle auch voller Angst. Die Begeisterung für den elendigen preußischen Militarismus
kam erst später auf. Der 91jährige Eberhard Bodesheim (Witzels) erzählte 1915 von dem Aufmarsch:
Die Franzosen seien in breiten Heeresmassen 1812 von Hünfeld kommend über Feld und Dorf geschwärmt, Gänse und Federvieh mitgenommen. Dann aber als wandelnde Leichen zurückgekommen und alle Wege waren mit Toten bedeckt gewesen. In „Loose Schuppen“ war ein Lazarett, und die Toten wurden auf den Äckern des Resberges begraben.
Der Rückzug muss grausam gewesen sein. Viele Berichte stützen den Bericht von Eberhard Bodesheim. Entlang der „Leipziger Straße“ lagen die Toten massenweise in den Gräben. Ein Augenzeuge berichtet, dass es von Vacha bis Neuhof keine Stelle gegeben hätte, von der man aus keine Toten gesehen hätte. Es wurden auch Soldaten, die sich etwas Essbares besorgen wollten, erschlagen, so bei Fürsteneck. Die einheimische Bevölkerung wurde mit Typhus und Cholera angesteckt. So starben auch in Großenbach bis zum Juli 1813 10 Personen, von Juli bis Jahresende 15 Personen jeglichen Alters. 1814 starben noch 25, 1815 noch 7 Personen. Der Rückzug der desolaten Grand´Armee forderten ihren Tribut rund um die Dörfer an der „Leipziger Straße“.
1822 zählt der kurhessische Staat in 61 Wohnhäusern 447 Seelen. Die Zunahme bis zur Zählung 1871 beträgt nur 23 Personen.
Auswanderung nach Amerika
Aus Großenbach wanderten im Zeitraum von 1800 bis 1900 74 erfasste Personen aus, aber ich denke,
es waren mindestens 100 Personen, die Dunkelziffer wird recht hoch sein. Gehäuft tritt die Auswanderung um 1850 auf. Das ist genau die Zeit, in der viele Menschen, auch in unserem Kreis nahe am Hungertod lebten. Die Auswanderungswelle ging in Großenbach quer durch alle Bevölkerungsschichten, vom Tagelöhner bis zu den großen Höfen. Allerdings sind von den Höfen oder Hüttneranwesen keine Hoferben dabei, sondern nur Nachgeborene. Auffallend ist, dass viele Frauen mit unehelichen Kindern auswanderten.
1822 – 431 Einwohner
1826 – 506 Einwohner
1852 – 493 Einwohner
1855 – 477 Einwohner
1858 – 465 Einwohner
1859 – 465 Einwohner
1871 – 460 Einwohner
Es ist an diesen Aufstellungen deutlich zu sehen, wie sich die Einwohnerzahl verändert. Von 506 im Jahre 1826 auf 460 im Jahre 1871. Normalerweise hatten die Orte in diesem Zeitraum einen Zuwachs von ca. 30%. In unserem Ort ging dagegen die Einwohnerzahl zurück. Nach den napoleonischen Kriegen um 1820 bekam die Auswanderung nach Amerika neuen Schub. Die Informationen flossen reicher und durch Briefe und heimkehrende Soldaten wurde das Amerikabild bestätigt: es gibt fruchtbares Land und günstige Siedlungsmöglichkeiten, außerdem gibt es regen Handel in den aufblühenden Städten. Es formte sich die Vorstellung von einem Land, wo „Milch und Honig fließen“.
Die Mutigen und Entschlossenen wollten das Glück schon auf Erden finden, nicht erst im Himmel,was ihnen immer für die eigene Beschwernis ihres Lebens vorgegaukelt wurde. Durch den Druck der angewachsenen Bevölkerung, von 1819 auf 1850 wuchs die Bevölkerung um 20 bis 35%, stellten immer mehr Teile der Bevölkerung einen Ausreiseantrag. Hatte die Ernährung vor 1820 gerade so für die Bevölkerung ausgereicht, waren jetzt viele Tagelöhner, Gesellen und Dienstboten ohne Lohn und Brot. Zeitweise bot die Leinenweberei in Heimarbeit für die kleineren Anwesen einen Ausgleich, aber mit der stark vorangetriebenen Industrialisierung in England konnten sie ab 1850 nicht konkurrieren. Auch litt die Bevölkerung um Fulda ab 1849 unter einer Kartoffelfäule. Die Kartoffel faulten schon im Keller, so dass Steckkartoffel zum Frühjahr hin fehlten. Die Folge davon war, dass die Brotpreise drastisch stiegen, die armen Leute kein Brot mehr kaufen konnten und großen Hunger litten. Auch in unserem Kreis kam es zu leichten Unruhen, als manche Händler versuchten, Getreide in andere Landstriche zu verkaufen. Dadurch aufgerüttelt, wurde im Land die Agrarwirtschaft vorangetrieben und Musterhöfe erstellt. Hinzu kam noch, dass Mitte des 19. Jhd. sich das Wetter verschlechterte durch teilweise lang anhaltenden Regen, der durch Vulkanausbrüche verursacht wurde. Es ist keine Frage, dass die wirtschaftliche Not im 19. Jhd. die Massenauswanderung der völlig beherrschende Beweggrund war. Tagelöhner, Arbeiter, Ungelernte und Frauen mit unehelichen Kindern standen an der Spitze der Auswanderer. Aber es gab auch Auswanderer von nachgeborenen Söhnen der wohlhabenden Bauern, die besonders in Gegenden mit Anerbenrecht auf dem Hof keinen Platz hatten, es sei denn als Knecht. Die Auswanderer aus Großenbach stammen nicht, auf Ausnahmen abgesehen, von den großen und wohlhabenden Bauern ab. Es gab auch keine politische Autorität, die das Verhältnis zwischen arm und reich hätte mindern können. Wie wir schon im Buch „Großenbach Teil II, gesehen haben, hatten die großen Bauern kein Problem damit, Kartoffeln an Schweine zu verfüttern, obwohl es im Ort Leute gab, die sehr arg hungern mussten. Viele Kleinbauern verloren ihr Vieh, weil sie keine eigenen Wiesen hatten und die Allmenden aufgelöst und als Ackerland verteilt wurden. Die erste Phase der Auswanderung reichte von ca. 1683 bis 1815. 1854 hatte die Auswanderung ihren Höchststand erreicht, 20000 Hessen wanderten aus, hauptsächlich nach Amerika.
Die zweite Phase der Auswanderung dauerte von 1817 bis 1871. Auch die poltischen Verhältnisse sorgten dafür, dass nach 1848 viele politische Verfolgte auswanderten, ein bestes Beispiel ist der damalige Bürgermeister von Hünfeld, Johann Adam Förster aus Grüsselbach, der als Abgeordneter der Nationalversammlung 1848 in der Paulskirche in Frankfurt teilnahm und danach von der Obrigkeit verfolgt wurde. In Amerika hatte er bis zu seinem Tode das Amt eines Friedensrichters inne. Oft wurde der Spruch gehört oder auch von der Kanzel gepredigt: “bleibe im Lande und nähre dich redlich“.
Ortsbeschreibung von 1858
Im Staatsarchiv Marburg liegt eine Akte mit oben genannter Ortsbeschreibung: Im Ort sind zwei öffentliche Brunnen vorhanden. Außerdem ist eine Öl- und Walkmühle vorhanden. Eine Brücke und acht Stege gibt es in Großenbach. Der Kaufpreis für ein Morgen guten Lands beträgt 100 Thaler. Die Pacht beträgt 3 Thaler. Von einem Morgen guten Lands werden 3 Malter Korn (ca. 10 Zentner) , von einem Morgen mittleres Land werden 1¾ Malter Korn ( ca. 6,10 Zentner), von einem Morgen schlechten Lands werden ½ Malter Korn (ca. 1,75 Zentner) geerntet. Korn und Hafer gedeihen in Großenbach am besten.
Der Ort erzeugt ca. 400 Malter Korn ( ca. 70 t), 50 Malter Weizen ( ca. 8,75 t), 250 Malter Gerste (ca. 44 t), 100 Malter Hafer (ca. 17 t). Als Düngemittel werden Kalk und Gips genommen. Nur 10 Bienenstöcke sind vorhanden. Die Fischerei ist vom Staat verpachtet. Fische sind mannigfaltig. Es sind ansässig: 2 Schmiede (Gerhards und Grosshanse), 1 Wagner, 2 Schreiner, 1 Schuhmacher, 2 Schneider, 6 Leinweber, 3 Maurer, 1 Krämer und 1 Wirt. 1 Ackerknecht verdient 30-40 Thaler im Jahr, eine Magd 20 bis 30 Thaler. Der Viehbestand 1858 besteht aus 40 Pferden, 60 Ochsen und Stiere, 144 Kühe mit 36 Kälbern, 50 Schweinen im Winter und 150 im Sommer, 670 Schafe, 12 Ziegen und 3 Esel.
Der Erste Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg, entstanden durch Großmannsucht des Deutschen Kaisers WilhelmII, durch Kriegslüsternheit deutscher und europäischer Generäle, durch Kriegstreiber und Intrigen europäischer Diplomaten, brachte wieder viel Elend in europäische Stuben. Der Blutzoll und das Massensterben war gewaltig, in diesem Maße noch nie da gewesen. Das Ende war ernüchternd – viele Soldaten unter grauenvollen Umständen gestorben, Kaiser vertrieben (Verlust war das keiner), viel Landverlust und Unruhen in der Heimat. Auf dem Kriegerdenkmal, erbaut Anfang zwanziger Jahren, steht außer den Gefallenen und Vermissten auch folgendes: Im Sturme treu + in Treue fest : gaben im Weltkriege 1914-1918 ihr Leben zum Schutze der Heimat:
Unter den Namen der Gefallenen und Vermissten steht noch folgendes: Aus Dankbarkeit errichtet von der Gemeinde. Wie man aus dem Text lesen kann, hat sich die Einstellung nach dem Kriege nicht geändert. Für mich liest sich der Text wie eine Verhöhnung der Opfer. Im Sturme treu, in Treue fest. Für wen denn, außer den kriegsverrückten Generälen, die ohne Rücksicht auf Verluste die Soldaten angetrieben haben. Diese hatten anfangs die ganze Verlogenheit noch nicht erkannt. Zum Schutze der Heimat. Deutschland war der Angreifer und stand im Pakt mit dem Großstaat Österreich-Ungarn, der gegen Freiheitsbestrebungen der Balkanvölker äußerst rigide vorging.
Aus Dankbarkeit errichtet von der Gemeinde Großenbach. Ich verstehe den Satz nicht, aus welcher Dankbarkeit? Aus Dank darüber, dass so viele sterben „durften“. Aus Dank darüber, dass so viele für nichts und niemanden starben, außer für eine fragwürdige Treue.
22 Söhne aus Großenbacher Familien ließen ihr noch junges Leben für nichts, was einen Sinn ergäbe.
Eine ganz traurige Geschichte. Alle hatten Mütter, Väter und Geschwister, die um sie unendlich trauerten.
Nationalismus und Zweiter Weltkrieg
Die Reichstagswahl vom 5. März fand schon nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar statt. Entgegen dem Trend im Reich blieben die Wähler dem Zentrum treu, trotz der Machtdemonstrationen der Nazis. In Großenbach wählen 179 Wähler die Zentrumspartei, 67 die NSDAP. In Rothenkirchen dagegen wählen 253 Wähler die NSDAP, die Zentrumspartei niemand, die SPD 20 und die KPD 47 Wähler. Es gab also schon unterschiedliche Strömungen im damaligen Landkreis Hünfeld. Über die politischen Verhältnisse in Großenbach während der Nazizeit ist wenig zu erfahren. So ist auch nur zu erfahren, einige Nazis gab es schon, nur diese hätten sich ruhig verhalten. Bürgermeister Bruno Brehler wird abgesetzt, Josef Menz zum kommissarischen Leiter erklärt.
Dann wurde Franz Kircher zum Bürgermeister ernannt. Welcher Grund für diese Aktion vorlag, ist nicht geklärt. Der Pfarrer erklärt, von katholischer Seite aus waren die ersten SA-Leute die Söhne seines Nachbarn Kaspar Reinhardt, die zusammen mit Hans Sell stolz in ihren Uniformen durch das Dorf marschierten. Zu Kriegsbeginn 1939 wurden 30 Männer eingezogen, auch Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg. Im Dezember kam Einquartierung , eine Kompanie einer „Tankdivision“ rückte ins „Bürgerquartier“ ein, d.h. auf die einzelnen Bauernhöfe. Ihre Übungen machte die Einheit auf dem Rößberg. Im Mai 1940 zog die Truppe ab und im Herbst 1940 kamen die ersten kriegsgefangenen Franzosen ins Dorf, um die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen. Sie waren in einem Nebenbau in „Scheppe“ untergebracht, wurden von deutschen Soldaten bewacht, morgens zu den Höfen geführt und nach Feierabend dort wieder abgeholt. Junge Polinnen wurden im Dorf zur Zwangsarbeit untergebracht und wohnten bei den Bauern. 1941 hatte das Dorf 490 Bewohner, davon 22 Franzosen und 13 Polenmädchen. Mitte Januar 1942 gab es neue Einquartierung, eine motorisierte Infanteriekompanie aus Bayern. Im Mai wurde sie weiter nach Osten verlegt. Als die Luftangriffe zunahmen, mußte Großenbach 60 evakuierte Menschen aufnehmen, auch noch 10 Auslandsdeutsche aus Schitomir.
33 tote und vermisste junge Soldaten war die Folge des verbrecherischen Naziregimes. Man erwartete mit Spannung die Amerikaner, die einige Tage nach dem ersten April 1945 über Molzbach und den „Vogelsgesang“ in das Dorf kamen. Die Übergabe erfolgte ohne nennenswerte Zwischenfälle. Am nächsten Tag wurde das Dorf durchkämmt, alle Gewehre, Ferngläser und Fotoapparate mussten vor der Kirche abgeliefert werden. Im Ort verbreitete sich Unsicherheit und Angst, weil im Kreis Hünfeld polnische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter mit Diebstahl und Plünderungen versuchten, sich in die Heimat durchzuschlagen.
Eine Dorfwache wurde organisiert, die bewaffnet mit einem Karabiner, von abends bis morgens durch den Ort patrouillierte. Jedoch versicherte ein ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter aus Großenbach, solange er im Dorf sei, würde nichts passieren. So war es dann auch im Gegensatz zu anderen Orten.
Heimatvertriebene
Kaum war der Krieg vorüber, kam eine neue Herausforderung auf das Dorf zu. 1939 hatte Großenbach 462 , 1950 670 Einwohner. Rechnet man die Geburten hinzu, die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg und die Verstorbenen ab, so kommen wir auf ca. 200 Heimatvertriebene aus dem Sudetenland, Nord-Mähren, Schlesien und Ungarn, die ab März 1946 in die Gemeinde kamen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Heimatvertriebenen lobend die Aufnahme durch die Großenbacher hervorheben.
Überwiegender Tenor: Von dem bisschen, was sie hatten, haben sie noch abgegeben. Oder: Durch uns Heimatvertriebene wurden sie eingeengt, trotzdem behandelten sie uns gut. Die einfachste und unkomplizierteste Integration verlief unter den Kindern und Jugendlichen. Das „Grossemicher Platt“ wurde gelernt, es wurde zusammen gespielt und Fußball gebolzt, die Verständigung klappte prima. Folgende Familiennamen kamen und kommen vor: Adlt, Bäuml, Beil, Böhm, Brokel, Christl, Chwalczyk, Denk, Dettmann, Drtil, Enge, Fritsch, Frömel, Hefke, Hagen, Harapad, Heidenreich, Hellmann, Herwig, Hieret, Horwarth, Karger, Kauer, Krause, Kroll, Kutzer, Lange, Leiter, Leitner, Ludwig, Moring, Muschik, Petermann, Peukert, Popp, Probst, Rama, Reuter, Scharnagl, Scheschonka, Schöffl, Süß, Schusser, Schuster, Schwab, Schweinitzer, Stenke, Stark, Streck, Tschirner, Wallner, Wanke, Weiser, Weiss, Wilke, Wuschek, Wuscher, Wutschke, Zeidler, Zerbs, Zieger.
Gebietsreform
Die Gemeinde Großenbach im Landkreis Hünfeld wurde mit Wirkung vom 31. Dezember 1971 in die Stadt Hünfeld eingegliedert. Für Großenbach bedeutete die Eingliederung den Verlust der Selbstständigkeit. Die Gemeinde war nun Teil der Stadt Hünfeld als Kernstadt und 14 Stadtteilen. Großenbach war die letzte Gemeinde, die den Entschluss fasste, Stadtteil von Hünfeld zu werden. Grund waren die Verhandlungen wegen der Restfinanzierung des „Sportcenters“, die aber zu einem guten Ende führten
Es zeichnete sich ab, dass Großenbach seine Schule verlieren sollte und dieser Schritt wurde 1974 im Zuge der Schulreformgesetzgebung des Landes Hessen vollzogen. Die Schüler aus Großenbach wurden der Johann-Adam-Förster-Schule zugeordnet.
Vom Bauerndorf zur Wohngemeinde
Noch 1968 gab es in Großenbach 63 Tierhalter, 1990 noch 32. Meines Wissens gibt es heute in Großenbach keine Milchkühe mehr. Das Dorf wird immer mehr zu einer Wohn- und Schlafgemeinde.
An Gaststätten hat sich nur die Traditionswirtschaft „Zum goldenen Stern „ als Speisegaststätte mit der Erlebnisscheune gehalten. Handwerksbetriebe wie eine Schreinerei sind mittlerweile Fehlanzeige.
Unterschrift Franz Josef Kircher